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Metainformationen


Titel
Gendermedizin: Jenseits des Durchschnittsmanns
Untertitel
-
Lead
Lange galt der männliche Körper als medizinische Norm – mit Folgen für Diagnostik, Therapie und Versorgung. Auf dem Swiss Gender Medicine Symposium in Bern wurde deutlich, wie dringend die Medizin umdenken muss: weg von der Einheitsdiagnose, hin zu einer präzisen, geschlechtersensiblen Praxis – auch in der Hausarztmedizin.
Datum
4. Dezember 2025
Journal
ARS MEDICI 19/2025
Autoren
Marita Fuchs
Rubrik
MEDIZIN — BERICHTE
Schlagworte
Allgemeine Innere Medizin, Gendermedizin, Hausarztmedizin, Swiss Gender Medicine Symposium
Artikel-ID
82893
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/82893
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Transkript


BERICHT

Gendermedizin
Jenseits des Durchschnittsmanns
Lange galt der männliche Körper als medizinische Norm – mit Folgen für Diagnostik, Therapie und Versorgung. Auf dem Swiss Gender Medicine Symposium in Bern wurde deutlich, wie dringend die Medizin umdenken muss: weg von der Einheitsdiagnose, hin zu einer präzisen, geschlechtersensiblen Praxis – auch in der Hausarztmedizin.

Wer in einer hausärztlichen Praxis arbeitet, kennt das Bild: Zwei Kranke kommen mit vergleichbaren Beschwerden – und doch verlaufen Diagnose und Therapie unterschiedlich. Was auf den ersten Blick nach individueller Varianz klingt, hat auch strukturelle Ursachen: Frauen und Männer erkranken nicht nur verschieden, sie zeigen auch unterschiedliche Symptome und sprechen nicht immer gleich auf Medikamente an. Besonders eindrücklich zeigt sich das beim Herzinfarkt: Während der «klassische» Brustschmerz bei Männern dominiert, können Frauen auch unter Atemnot, Übelkeit oder Schmerzen im Oberbauch klagen. Die Folge: Herzinfarkte bei Frauen bleiben häufiger unerkannt – mit fatalen Konsequenzen.

Gender Medicine Symposiu

Beruf mit Risiko? Warum Ärztinnen schneller ausbrennen – und was sich ­ändern muss

Prof. Lisa Rotenstein, Gesundheitsforscherin an der University of Cali-

fornia, San Francisco, stellte am Symposium in Bern Forschungsergebnisse aus den USA vor: So schnei-

Foto: Swiss

den US-amerikanische Ärztinnen in Qualitätsbe-

wertungen oft besser ab als ihre männlichen

Kollegen – erhalten aber bei rein leistungsbezo-

gener Abrechnung im Schnitt weniger Honorar.

/ Sandra Blaser m

Gleichzeitig berichten sie über mehr Burn-out, ge-

ringere berufliche Erfüllung und scheiden häufiger so-

wie früher aus der klinischen Tätigkeit aus.

Als Lösungsansätze nannte Prof. Rotenstein drei Hebel: erstens eine

verbesserte Teamarbeit zur faireren Aufgabenverteilung, zweitens den

gezielten Einsatz entlastender Technologien – etwa KI-gestützter Doku-

mentationshilfen – und drittens die Förderung von Vergütungsmodellen,

die zeitintensive und gründliche Betreuung angemessen honorieren.

Gerade bei Ärztinnen könnten KI-Anwendungen einen unverhältnis-

mässig grossen Effekt haben, da sie besonders stark von administrati-

ver Überlastung betroffen sind.

Ihr Fazit: Wenn das Gesundheitssystem nachhaltiger und geschlech-

tergerechter werden soll, braucht es neue Konzepte, um bislang un-

sichtbare Arbeit sichtbar und abrechenbar zu machen.

Die medizinische Wissenschaft hat über Jahrzehnte hinweg den männlichen Körper als Norm definiert. Forschung, Diagnostik und Therapie orientierten sich vorrangig am «Durchschnittsmann» – meist weiss, rund 80 Kilogramm schwer. Medikamente wurden an männlichen Probanden getestet, Dosierungen auf männliche Stoffwechselraten ausgelegt. Frauen, ältere Menschen oder Personen anderer Herkunft wurden oft ausgeblendet. Diese Einseitigkeit wirkt bis heute nach und führt dazu, dass Kranke nicht optimal versorgt werden. Somit ist Medizin, die die Vielfalt der Menschen nicht abbildet, weder gerecht noch effektiv.
Von der männlichen Norm zur geschlechtssensiblen Medizin Die Fokussierung auf den männlichen Körper ist historisch gewachsen und hat sich tief in den Strukturen der medizinischen Ausbildung und Forschung eingegraben. Erst in den letzten Jahrzehnten begann ein Umdenken, befeuert durch Forderungen nach mehr Diversität und Erkenntnisse aus der Genderforschung. Gendermedizin entstand als Antwort auf die Erkenntnis, dass biologische und soziale Unterschiede die Gesundheit entscheidend beeinflussen – und dass bestehende Standards zu Fehl- und Unterversorgung führen können.
Swiss Gender Medicine Symposium in Bern: Neue Impulse für die Medizin Dass Gendermedizin kein Randthema mehr ist, zeigte das Swiss Gender Medicine Symposium, das am 21. und 22. Oktober im Berner Kursaal stattfand. Mehrere Hundert Fachleute aus Klinik, Praxis und Forschung diskutierten aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen. Organisiert von der Universität Zürich, stand das Symposium unter dem Motto: Gendermedizin betrifft alle Bereiche – von der Grundlagenforschung bis zur Versorgung im Alltag. Prof. Beatrice Beck Schimmer, Direktorin der Universitären Medizin Zürich, brachte es auf den Punkt: «Gendermedizin ist Teil der Präzisionsmedizin, die auf individuelle Diagnostik und Therapie abzielt». Die geschlechtssensible Medizin verstehe sich als Querschnittsaufgabe, die nicht nur biologische, sondern auch soziale und kulturelle Unterschiede berücksichtige.

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BERICHT

Foto: Swiss Gender Medicine Symposium / Sandra Blaser Foto: Swiss Gender Medicine Symposium / Sandra Blaser

Intersektionalität: Gesundheit hat viele Dimensionen Das bestätigte auch die US-amerikanische Wissenschaftshistorikerin Prof. Londa Schiebinger. Sie betonte in ihrer Keynote: «Medizinische Versorgung darf Menschen nicht allein als ‹männlich› oder ‹weiblich› betrachten. Auch Herkunft, Alter, sozioökonomischer Status und Geschlechtsidentität beeinflussen, wie Krankheiten erlebt und behandelt werden.» Diese Überschneidung verschiedener Diskriminierungs- und Ungleichheitsfaktoren wird als Intersektionalität bezeichnet.
Prof. Schiebinger veranschaulichte das am Beispiel des Schmerzes. Frauen erleben Schmerzen anders als Männer – und doch erhalten sie seltener starke Schmerzmittel (1). Eine Studie in «Nature» habe gezeigt, dass weiblicher Schmerz in der Notfallversorgung häufiger als «emotional» oder «psychosomatisch» eingeordnet wird. Dass Schmerz geschlechtsspezifisch wirkt, lässt sich inzwischen auch im Labor beobachten: Bei männlichen Mäusen aktivieren Schmerzen vor allem Immunzellen im Rückenmark, sogenannte Mikroglia; bei weiblichen Mäusen übernehmen hingegen regulatorische T-Zellen eine zentrale Rolle. Solche Unterschiede seien mehr als nur biologische Kuriositäten – sie beeinflussen, wie Medikamente entwickelt und Therapien gestaltet werden, so die Referentin. Für Prof. Schiebinger ist klar: Nur wenn Daten differenzierter erhoben werden, lassen sich solche intersektionalen Ungleichheiten überhaupt erkennen – und eines Tages beheben.
Unterschiede in der Krebstherapie In der Krebsmedizin zeigen sich die Unterschiede besonders deutlich. PD Dr. Berna Özdemir vom Inselspital Bern berichtete, dass Frauen und Männer unterschiedlich auf Immunund Chemotherapien reagieren – sowohl in der Wirksamkeit als auch bei Nebenwirkungen. Frauen sind häufiger von Toxizitäten betroffen, weil Dosierungen oft nach der Körperoberfläche oder dem Körpergewicht berechnet werden – obwohl sich Fett- und Muskelanteile bei Frauen und Männern unterscheiden. «Gendermedizin ist keine Modeerscheinung»,
Prof. Dr. Londa Schiebinger

Prof. Dr. Beatrice Beck Schimmer
sagte Dr. Özdemir. «Sie ist die Grundlage der Präzisionsmedizin.» Für Hausärztinnen und -ärzte bedeutet das: Auch in der Nachsorge und palliativen Betreuung gilt es, geschlechtsspezifische Unterschiede zu beachten – etwa bei Fatigue, Hautveränderungen oder emotionaler Belastung.
Die Wissenschaft lernt zuzuhören Ivo Schauwecker, Präsident von EUPATI (European Patients' Academy on Therapeutic Innovation) Schweiz, erläuterte den Ansatz Patient and Public Involvement (PPI). Es sei entscheidend, Patientinnen und Patienten, Angehörige und die Öffentlichkeit aktiv in Gesundheits- und Forschungsprozesse einzubeziehen – nicht erst am Ende, sondern von Beginn an. Was zunächst nach einem Schlagwort aus der Partizipationsforschung klingt, hat praktische Konsequenzen. Wer Betroffene schon bei der Formulierung von Forschungsfragen, der Planung von Studien oder der Interpretation von Ergebnissen beteiligt, verändert nicht nur den Ton der Wissenschaft, sondern auch ihre Richtung. Gerade in der Onkologie könne dieser Perspektivenwechsel besonders wertvoll sein, sagte Schauwecker. «Patientinnen und Patienten bringen Erfahrungen ein, die wir Forschenden nicht haben. Sie wissen, was sie belastet, was ihnen hilft, was ihnen fehlt.»
Wie unterschiedlich Menschen Krankheit deuten, zeigte Dr. Özdemir am Beispiel einer Vergleichsstudie zwischen gesunden Personen und Krebspatientinnen und -patienten, die sie am Inselspital Bern durchgeführt hat. Während die Krebskranken am häufigsten Stress als mögliche Ursache ihrer Erkrankung nannten, sahen die gesunden Teilnehmenden vor allem Genetik, Umweltfaktoren und Noxen wie Rauchen und Alkohol als Hauptursachen für Krebs.
Diese Differenz sei mehr als nur eine Meinungsverschiedenheit, sagte Schauwecker. Sie verdeutliche, wie wichtig es ist, Patientinnen und Patienten nicht nur zu befragen, sondern sie als Partner in die Forschung einzubeziehen. Wenn ihre Erfahrungen ernst genommen werden, kann daraus neue Wissenschaft entstehen – etwa zu den Zusammenhängen zwischen psychischer Belastung und Krebsentstehung. Das PPI-Prinzip steht damit für mehr als Beteiligung:

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BERICHT

Foto: Swiss Gender Medicine Symposium / Sandra Blaser Foto: Swiss Gender Medicine Symposium / Sandra Blaser

Es ist der Versuch, die Distanz zwischen Labor und Lebensrealität zu überbrücken – und die Medizin ein Stück menschlicher zu machen.

Forschung, die Leben rettet Ein zentrales Thema des Symposiums war die Frage, wie geschlechtssensible Medizin besser erforscht und in der Praxis umgesetzt werden kann. Mit dem Nationalen Forschungsprogramm NFP 83 «Gendermedizin und -gesundheit» wurde in der Schweiz ein Meilenstein gesetzt (2). Ziel ist es, in den nächsten fünf Jahren evidenzbasiertes Wissen zu schaffen, das direkt in Leitlinien und Ausbildung einfliesst. Ein häufiges Problem: In der präklinischen Forschung werden überwiegend männliche Mäuse eingesetzt. Das führt zu verzerrten Ergebnissen. Neue Vorgaben verlangen deshalb, dass auch weibliche Tiere und Zellen berücksichtigt werden. Seit 2020 fordert das EU-Forschungsprogramm Horizon Europe explizit die Berücksichtigung von Genderund Intersektionalitätsanalysen in Forschungsanträgen (3). «Forschung, die mit öffentlichen Mitteln gefördert wird, soll der gesamten Gesellschaft zugutekommen», bilanzierte Prof. Schiebinger. Transplantation, Teamwork und Geschlecht: Erkenntnisse aus der Chirurgie Prof. Guido Beldi, Universität Bern, schilderte einen Fall einer Lebertransplantation bei akutem Leberversagen einer weiblichen Patientin mit männlichem Spender und einem eingespielten OP-Team. Der Fall zeige, wie Biologie, Verhalten und Teamkultur in der Medizin verzahnt sind. Männliche Lebern sind grösser, weibliche Organe regenerieren schneller. Studien belegen, dass Frauen, die ein männliches Spenderorgan erhalten, teils besser abschneiden, vermutlich wegen der fördernden Wirkung von Östrogenen auf Zellteilung und Entzündungshemmung. Auch Stressreaktionen unterscheiden sich: Männer schütten Adrenalin schneller aus, Frauen erhalten die Cortisolantwort länger aufrecht. Das beeinflusst

PD Dr. Berna Özdemir (links) und Ivo Schauwecker (rechts)
Heilungsverlauf und Belastbarkeit nach der Operation. Frauen werden bei schweren Lebererkrankungen oft spä-
ter überwiesen und werden seltener komplexen Eingriffen unterzogen. Sie kommunizieren Schmerzen anders, was das Risiko birgt, dass Symptome verharmlost werden. Geschlechtersensible Medizin bedeute, diese systemischen Verzerrungen von der Diagnostik bis zur Nachsorge zu erkennen, so Prof. Beldi.
Ergonomie und Teamarbeit: Sicherheit für alle Viele chirurgische Instrumente seien auf die durchschnittliche männliche Handgrösse ausgelegt. Über 70% der Chirurginnen berichten über Schmerzen oder Zerrungen – Ergonomie ist also ein relevanter Sicherheitsfaktor für diejenigen, die operieren, und damit für die Patientinnen und Patienten. Studien zeigen zudem: Steigt der Frauenanteil in OP-Teams auf über 35%, sinken Komplikationsraten messbar. Divers zusammengesetzte Teams kommunizieren klarer und reagieren schneller in Krisen. Psychologische Sicherheit – das Vertrauen, Probleme ansprechen zu dürfen, ohne Sanktionen zu fürchten – sei entscheidend für erfolgreiche Teamarbeit, bilanziere Prof. Beldi.

Prof. Dr. Guido Beldi

Fazit aus der chirurgischen Praxis
Das Bespiel aus dem Operationssaal zeigt: Geschlecht wirkt in der Medizin auf allen Ebenen – von der Zellbiologie bis zur Teamdynamik. Wer Diagnostik, Therapie und Arbeitsbedingungen geschlechtersensibel gestaltet, erhöht Fairness und Patientensicherheit. • Geschlecht beeinflusst Transplantationserfolg, Heilungsverläufe und
Schmerzverarbeitung. • Teams mit hoher Diversität und psychologischer Sicherheit operieren
sicherer. • Ergonomisch angepasste Instrumente tragen zur Patientensicherheit bei. • Hausärztinnen und -ärzte können geschlechtersensible Versorgung
fördern – durch gezielte Anamnese und strukturierte Überweisungen.
ars medici 19 | 2025 653

BERICHT

Gender Medicine Symposiu

Künstliche Intelligenz: Chancen für die Gendermedizin Prof. Thomas Lüscher, King’s College London und Universität Zürich, berichtete am Symposium in Bern über die Rolle von künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin und die Auswirkungen auf die Gendermedizin. KI-Modelle können geschlechtsspezifische Muster in grossen medizinischen ­Datensätzen sichtbar machen – etwa in EKG’s, Bildgebung, Sprachaufnahmen oder genetischen Profilen, so Prof. Lüscher. Sie erkennen subtile Unterschiede, die Medizinerinnen und Medizinern oft entgingen, etwa atypische Herzinfarktsym­ ptome bei Frauen oder verzerrte Risikoscores. Fallstudien zeigten, dass lernende Systeme heutige Verfahren bereits übertreffen: Sie analysieren Patientengespräche präziser, erkennen Herzkrankheiten früher und ermöglichen individuellere Risikoprofile.

Schweizweit erster Lehrstuhl in Gendermedizin

2024 schuf die Universität Zürich

Foto: Swiss

(UZH) den ersten Lehrstuhl für

Gendermedizin in der Schweiz

und nahm damit eine Pionierrol-

le ein. Lehrstuhlinhaberin ist die

m / Sandra Blaser

Kardiologin Prof. Carolin Lerchen-

müller; sie leitete das Programmkomi-

tee des ersten Symposiums Swiss Gender Medicine im

Auftrag der Direktorin Universitäre Medizin Zürich und

der Stiftung Initiative Schweiz. Diese hatten gemeinsam

mit den fünf medizinischen Fakultäten der Schweiz die

Pionieridee zu einem schweizweiten Austausch zur

Gendermedizin (4).

Foto: Swiss Gender Medicine Symposium / Sandra Blaser

zu begreifen. Das Swiss Gender Medicine Symposium in Bern hat ge-
zeigt, wie gross der Handlungsbedarf ist – und wie viele engagierte Fachleute sich für eine patientenzentrierte, geschlechtssensible und intersektionale Medizin einsetzen. Der Weg ist noch lang, aber der Aufbruch ist spürbar. Eine Medizin, die alle Menschen im Blick hat, ist nicht nur gerechter – sie ist auch besser.

Prof. Dr. Thomas Lüscher
Bei aller Euphorie: Prof. Lüscher betonte aber auch, dass nur validierte und transparente KI-Modelle unser Vertrauen verdienen – andernfalls bestünde die Gefahr, ungenaue Angaben zu erhalten oder alte Vorurteile algorithmisch zu verfestigen. KI könne die Mediziner und Medizinerinnen nicht ersetzen, aber Freiräume schaffen für mehr Empathie, Aufklärung und Betreuung der Patientinnen und Patienten. Die Zukunft der Medizin liege in der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine.

Fazit: Gendermedizin als Standard in der Hausarztpraxis Das Swiss Gender Medicine Symposium in Bern hat eindrucksvoll gezeigt: Gendermedizin ist keine Nische, sondern Bestandteil guter medizinischer Praxis. Für behandelnde Medizinerinnen und Mediziner bedeutet das: • Symptome geschlechtsspezifisch bewerten (Herzinfarkt,
Krebs, Schmerz) • Forschungsergebnisse in der Versorgung berücksichti-
gen (z.B. neue Leitlinien, NFP 83) • Patientinnen und Patienten gezielt einbinden (z.B. bei
Therapieentscheidungen, PPI) • Technische Tools wie KI kritisch hinterfragen: Wie wurden
sie trainiert? • Praxisorganisation prüfen: Wie werden Zeit und Verant-
wortung verteilt?

Differenzierte Medizin ist gute Medizin – und rettet Leben Die Evidenz ist eindeutig: Eine Medizin, die biologische, soziale und kulturelle Unterschiede systematisch berücksichtigt, verbessert die Versorgung und rettet Leben. Gendermedizin und Intersektionalität sind keine Modebegriffe, sondern zentrale Bausteine für eine moderne, gerechte und wirksame Gesundheitsversorgung. Sie erfordern neue Forschungsansätze, angepasste Leitlinien und ein Umdenken in der Ausbildung – aber vor allem die Bereitschaft, Vielfalt als Chance

Am Ende geht es um eine Medizin, die für alle funktioniert – nicht nur für den männlichen Durchschnittspatienten.
Marita Fuchs
Referenzen: 1. Women receive fewer painkillers than men in emergencies - SWI
swissinfo.ch 2. https://www.nfp83.ch/ 3. https://research-and-innovation.ec.europa.eu/strategy/strategy-rese-
arch-and-innovation/democracy-and-rights/gender-equality-researchand-innovation_en 4. Nicht nur die Herzen der Frauen schlagen anders | UZH News | Universität Zürich

654 ars medici 19 | 2025


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