Transkript
FORTBILDUNG
Lokalisierte Sklerodermie – selten, aber therapiebedürftig
Morphaea im Kindesalter sollte früh erkannt und behandelt werden
Die Morphaea oder lokalisierte Sklerodermie ist eine seltene Krankheit. Sie beginnt typischerweise im Kindesalter und bleibt oft lange unerkannt. Für Kinder- und Hausärzte ist die Morphaea meist eine unbekannte Entität. Je nach Erscheinungsbild werden die ersten klinischen Zeichen zum Beispiel als Hautinfektion, Ekzem, Hämatom, Naevus flammeus oder Narbe fehlinterpretiert. Da diese Krankheit besonders während des Wachstums schwerwiegende funktionelle und ästhetische Komplikationen mit sich bringt, sollte sie so früh wie möglich erkannt und adäquat behandelt werden.
LISA WEIBEL
Die Morphaea ist eine Bindegewebserkrankung unklarer Ätiologie, welche durch Kollagenvermehrung zu einer Verhärtung und Verdickung der Haut führt. Klassischerweise verläuft die Erkrankung in drei Stadien: Entzündung, Fibrose/Sklerose und Atrophie (1). Häufig wird die Morphaea als benigne, selbstlimitierende Erkrankung betrachtet, welche sich auf die Haut und Subkutis beschränkt. Insbesondere im Kindesalter sind jedoch oft tiefer liegende Strukturen wie Muskulatur und Knochen mitbetroffen, was im Wachstum zu irreversiblen Deformitäten mit bedeutenden funktionellen und kosmetischen Einbussen führen kann.
Merksätze
O Ein hilfreiches frühes diagnostisches Zeichen ist der Verlust der Körperbehaarung im betroffenen Areal.
O Sind tiefer liegende Strukturen wie Muskulatur und Knochen mitbetroffen, kann dies zu schwerwiegenden funktionellen und ästhetischen Komplikationen führen.
O Es gibt effiziente Therapien, um das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen.
O Verlauf und Prognose der Morphaea sind individuell sehr unterschiedlich und vom klinischen Subtyp abhängig.
Die lokalisierte Sklerodermie muss von der systemischen Sklerose (oder systemischen Sklerodermie) abgegrenzt werden, denn eine Beteiligung der inneren Organe kommt nicht vor (2). Im Kindesalter ist die Morphaea zirka 10-mal häufiger als die systemische Sklerose. Es gibt nur wenige Daten zur Häufigkeit der Morphaea; die Inzidenz wird mit 2,7/100 000 Personen beschrieben (3). Mädchen sind zweibis dreimal häufiger betroffen als Knaben. Typischerweise beginnt die Morphaea im Kindesalter, durchschnittlich im Alter von 7 bis 10 Jahren, wobei der lineäre Subtyp auch bereits bei Geburt auftreten kann (4). Bei Erwachsenen kommen vorwiegend die Plaque-Morphaea vor; das Durchschnittsalter bei Beginn der Erkrankung liegt bei 45 Jahren.
Erscheinungsbilder der Morphaea Bei der Plaque-Morphaea finden sich klassischerweise umschriebene rundliche bis ovale indurierte Herde mit zentral elfenbeinfarbenem glänzendem Aspekt und peripher erythematösem Randsaum (Abbildung 1). Dabei sind die Veränderungen meist oberflächlich und beschränken sich auf die Haut und Subkutis. Die lineäre Morphaea ist bei Weitem die häufigste Form im Kindesalter und somit von besonderer Bedeutung. Es finden sich dabei einzelne oder mehrere meist unilaterale bandförmige Läsionen entlang einer Extremität, am Kopf oder auch am Stamm. Nebst Veränderungen der Haut und Subkutis sind meist darunterliegende Muskulatur und Knochen betroffen (Abbildung 2). Dieser Prozess kann im Wachstum zu schwerwiegenden Gelenkskontrakturen, -deformitäten, Arm- oder Beinlängendifferenz führen. Die lineäre Morphaea am Kopf wird als En-coup-de-sabreSubtyp bezeichnet, analog der Erscheinung einer «Säbelhiebverletzung» mit lineärer Eindellung im Gesicht (Abbildung 3). Es können mehrere bandförmige En-coup-de-sabre-Läsionen halbseitig am Kopf auftreten und eine hemifaziale Atrophie hervorrufen. Das Parry-Romberg-Syndrom, charakterisiert durch eine hemifaziale Atrophie von Subkutis und Knochen bei nur diskreten oder fehlenden Veränderungen der Haut, gehört im Sinne einer schweren Verlaufsform ebenfalls zum Spektrum der En-coup-de-sabre-Variante. Assoziierte Komplikationen der lineären Morphaea am Kopf umfassen eine vernarbende Alopezie (Abbildung 4), Epilepsie, ZNS-Vaskulitis, Migräne/Kopfschmerzen, Kiefer- und Zahnstellungsanomalien sowie okuläre Pathologien (1). Weitere früher beschriebene Morphaeaformen wie bullöse Morphaea oder Morphaea guttata können als Variationen
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können und in den Familien gehäuft Auto-
immunerkrankungen vorkommen (5).
Die Tatsache, dass eine Morphaea familär
gehäuft auftreten und bereits bei der Geburt
manifest sein kann, spricht für einen genetischen
Hintergrund. Kürzlich konnte gezeigt werden,
dass die lineäre Morphaea entlang der Blaschko-
Linien verläuft, was für ein zugrunde liegendes
genetisches Mosaik spricht (6).
Abbildung 1: Aktive Plaque-Morphaea am Abdomen eines Kindes
Abbildung 3: Morphaea en coup de sabre mit charakteristischer lineärer Eindellung der Stirn rechts entlang der Mittellinie; zu beachten sind die Atrophie von Haut und Subkutis mit dadurch verstärkter Venenzeichnung, der partielle Verlust der oberen Wimpernreihe rechts und die läsionäre Hypopigmentierung.
Wie lässt sich die Morphaea im Kindesalter frühzeitig erkennen? Das Frühstadium der Morphaea kann sich klinisch sehr unterschiedlich manifestieren, was
eine frühe Diagnose dieser insgesamt seltenen
Krankheit zusätzlich erschwert. Eine kürzliche
Untersuchung beschreibt eine mittlere Erkran-
kungsdauer von 11 Monaten bis zur richtigen
Diagnosestellung im Kindesalter (7), wobei die
Bandbreite von 2 Monaten bis 61/2 Jahre reicht. Für Kinder- und Hausärzte ist die Morphaea oft
eine unbekannte Entität. Je nach Erscheinungs-
bild werden die ersten klinischen Zeichen zum
Abbildung 4: Morphaea en coup de sabre mit vernarbender Alopezie der Kopfhaut
Beispiel als Hautinfektion, Ekzem, Hämatom, Naevus flammeus oder Narbe fehlinterpretiert. Häufig sehen wir im Frühstadium eine erythe-
matöse Makula oder flache Plaque, im Gesicht
manchmal mit feinen Teleangiektasien (Abbil-
dung 5). Daraus entsteht meist relativ rasch eine
weiss-gelbliche Plaque mit erythematös-lividem
Randsaum. Manchmal entwickelt sich die loka-
lisierte Sklerodermie auch schleichend und ohne
fassbare klinische Entzündungszeichen, das
heisst, die erythematösen Hautveränderungen
sind diskret oder fehlen vollständig. In diesen
Abbildung 2: Lineäre Morphaea entlang eines Beines; es besteht eine Bewegungseinschränkung des Sprunggelenks und der Grosszehengelenke.
Abbildung 5: Frühe, entzündliche Phase einer Morphaea en coup de sabre am linken Augenunterlid mit Ausdehnung auf die Wange; zu beachten sind die feinen Teleangiektasien, Pigmentverschiebungen und der partielle Verlust der unteren Wimpernreihe.
Fällen bemerken die Eltern eine blau-bräunliche Verfärbung der Haut und das Durchscheinen von Venen, dies aufgrund der entstandenen Atrophie und postinflammatorischen Hyperpigmentierung der Haut.
Ein hilfreiches frühes diagnostisches Zeichen
ist der Verlust der Körperbehaarung im betrof-
fenen Areal; im Gesicht je nach Lokalisation
der oben genannten Subtypen aufgefasst werden. Ebenfalls der partielle Verlust von Wimpern (Abbildung 3 und 5),
werden gelegentlich die Atrophodermia idiopathica et pro- Augenbrauen oder eine vernarbende Alopezie der Kopfhaut
gressiva Pasini et Pierini und die eosinophile Fasziitis unter (Abbildung 4).
dem Begriff der lokalisierten Sklerodermie zusammengefasst. Da sich bei der Morphaea oftmals früh eine begleitende Atro-
phie des subkutanen Fettgewebes entwickelt, sollte bei der
Ursache und Pathogenese
klinischen Untersuchung insbesondere auf Symmetrie res-
Die genaue Ursache der Morphaea respektive der lokalisier- pektive Asymmetrie und Umfangsdifferenz (Extremitäten)
ten Sklerodermie ist bis heute unklar. Die hauptsächlichen geachtet werden. Die wichtigsten Differenzialdiagnosen der
Hypothesen der Entstehung beschreiben ein Autoimmun- Morphaea sind: Granuloma anulare, Erythema chronicum
geschehen, einen genetischen Hintergrund oder verschiedene migrans, fixe Arzneimittelreaktion, Tinea corporis, Lichen
auslösende Trigger (virale oder bakterielle Infektionen [ins- simplex chronicus und Lichen sclerosus et atrophicus (1).
besondere Borrelien], Traumata, endokrine Störungen und
hormonelle Faktoren).
Diagnostik
Für die Autoimmunhypothese spricht die Tatsache, dass bei Die Diagnose wird wie oben erwähnt in der Regel anhand
zirka 40 Prozent der betroffenen Kinder positive anti- des klinischen Bildes gestellt. Zur Diagnosesicherung kann
nukleäre Antikörper vorhanden sind, histologisch Immun- eine Hautbiopsie zur histologischen Untersuchung durch-
globulin- und Komplementablagerungen gefunden werden geführt werden.
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Steckbrief Morphaea
grafie zur Aktivitätsmessung der Morphaea überlegen ist. Diese Methoden gehören allerdings bis anhin noch nicht zu den Routineuntersuchungen im klinischen Alltag (8).
Name:
Morphaea, Sklerodermia circumscripta, lokalisierte oder zirkumskripte Sklerodermie; engl.: localized scleroderma
Abkürzung: –
Ursache:
nicht bekannt Ein genetischer Hintergrund wird vermutet, und Triggerfaktoren, die sekundäre Immunphänomene auslösen können, werden diskutiert.
Inzidenz:
0,34–2,7 / 100 000 Personen pro Jahr
Leitsymptome: Verlust der Körperbehaarung im betroffenen Hautareal, Morphea vom Plaquetyp: Lokal umschriebene rundliche bis ovale Indurationen der Haut, mit zentral elfenbeinfarbenem, glänzendem Aspekt und peripher erythematösem Randsaum (licac ring); Veränderungen meist oberflächlich und auf Haut und Subkutis beschränkt. Lineäre Morphaea: Unilaterale, bandförmige Läsionen entlang einer Extremität, am Kopf (En-coup-de-sabreSubtyp) oder Stamm; auch Muskulatur und Knochen sind betroffen.
Diagnose:
klinisch evtl. Hautbiopsie zur Diagnosesicherung
Therapie:
bei lineärer progredienter Morphaea und allen tiefer reichenden Formen: systemische Kortikoide und niedrig dosiertes Methotrexat; bei fehlendem Ansprechen (second line): Mycophenolatmofetil bei oberflächlichen Morphaea: topische Calcineurininhibitoren und/oder Lichttherapie
Laborchemisch empfiehlt sich bei Diagnosestellung die Bestimmung von Blutbild (gelegentlich Eosinophilie), Leberund Nierenwerten (im Hinblick auf eine allfällige Systemtherapie), antinukleären Antikörpern (in ca. 40% der Fälle erhöht, vor allem beim lineären Subtyp), Schilddrüsenautoantikörpern und Magenparietalzellenautoantikörpern (Ausschluss assoziierter Autoimmunerkrankungen). Mittels Ultraschall lassen sich strukturelle Veränderungen der Haut und Subkutis darstellen. Eine Magnetresonanztomografie empfiehlt sich zur erweiterten Diagnostik bei Läsionen am Kopf und Verdacht auf Mitbeteiligung tieferer Strukturen wie Muskulatur und Gelenke (1).
Verlaufsbeurteilung Die Erfassung der Krankheitsaktivität im Verlauf ist für das Management von Patienten mit Morphaea ein wichtiger, aber schwieriger Faktor. Die klinischen Aktivitätszeichen sind oft nur diskret ausgeprägt und Laborwerte zur Aktivitätsbeurteilung ungeeignet. Als objektive Methode wurde kürzlich die kutane Blutflussmessung mittels Laser-Doppler-Technik beschrieben, welche der früher verwendeten Infrarotthermo-
Prognose Verlauf und Prognose der Morphaea sind individuell sehr unterschiedlich und vom klinischen Subtyp abhängig. Die Plaque-Morphaea hat prinzipiell einen milderen Verlauf als die anderen Subtypen. Üblicherweise ist die Krankheit während 3 bis 6 Jahren aktiv und stoppt dann von selbst im Sinne eines «Ausbrennens». Die lineäre Morphaea ist während der Aktivitätssphase im Kindesalter oft rasch progredient und resultiert dann in funktionellen und kosmetischen Einschränkungen. Insbesondere bei jungen Kindern kann es nach einer inaktiven Phase von mehreren Jahren zu einer Reaktivierung der Erkrankung kommen. Gelegentlich (< 5%) können bei Morphaea andere Autoimmunerkrankungen, wie zum Beispiel Alopecia areata, Vitiligo, Autoimmunthyreoiditis, perniziöse Anämie, Diabetes mellitus oder Lupus erythematodes assoziiert auftreten (1).
Therapie Das Ziel der Behandlung bei Morphaea ist, das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen, funktionelle und ästhetische Probleme zu verhindern und die Gewebefibrose zurückzubilden. Eine rein topische Therapie empfiehlt sich heute im Kindesalter nur zur Behandlung der (selteneren) oberflächlichen Plaque-Morphaea mit geringer Ausdehnung. Dazu können primär stark wirksame Kortikosteroide eingesetzt werden, alternativ Calcipotriol, Tacrolimus oder Imiquimod (1). Für ausgedehnte Befunde einer Plaque-Morphaea (oder bei Kontraindikationen einer systemischen Therapie bei den anderen Morphaeaformen) ist eine Lichttherapie sinnvoll. Idealerweise wird in der akut-entzündlichen Phase BadePUVA und in der fibrotischen Phase UV-A-1 eingesetzt, alternativ Schmalband-UV-B (narrow band UV-B). Für die im Kindesalter vorherrschende progressive lineäre Morphaea ist heute die Therapie der Wahl eine Kombination von systemischen Kortikosteroiden und niedrig dosiertem Methotrexat (1, 10). Die dazu publizierten Therapieschemata umfassen in der Regel eine Pulstherapie mit intravenösem Methylprednisolon im Sinne einer antientzündlichen Induktion, der eine Erhaltungstherapie mit wöchentlicher Methotrexatgabe (subkutan, alternativ per os) folgt. Mit dieser Therapie kann das Fortschreiten der Erkrankung gestoppt und in den meisten Fällen eine deutliche Verbesserung des klinischen Erscheinungsbildes bei guter Verträglichkeit erreicht werden (10). Bei fehlendem Ansprechen kann als Second-Line-Therapie Mycophenolatmofetil eingesetzt werden. Der Einsatz von Imatinib wird zurzeit untersucht. Eine adäquate Therapie erfolgt bei Kindern erst nach einer mittleren Erkrankungsdauer von 17 Monaten (7). Leider kommt es immer wieder vor, dass Dermatologen eine Morphaea zwar richtig diagnostizieren, von einer Systemtherapie bei Kindern jedoch generell abraten. Dies erfolgt in der Absicht, die Betroffenen «zu schonen», wodurch jedoch irreversible Folgen am wachsenden Skelett in Kauf genommen werden.
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FORTBILDUNG Fallbericht
Anamnese Im Januar 2010, im Alter von 6½ Jahren, bemerkten die Eltern an Lauras Kinn einen weissen Fleck. Sie brachten dies in Zusammenhang mit einem kürzlichen Sturz und vermuteten eine oberflächliche Verletzung, die nur langsam abheilte. Einige Wochen später jedoch entstand an der linken Schläfe eine ähnliche weisse Hautveränderung, welche relativ rasch an Grösse zunahm. Laura beklagte weder Juckreiz noch Schmerzen an diesen Stellen. Eine erste Arztkonsultation ergab den Verdacht einer Vitiligo – «Weissfleck-Krankheit». Eine Überweisung zum wohnortnahen Dermatologen wurde veranlasst. Dieser entnahm an der linken Schläfe eine kleine Punchbiopsie unter Lokalanästhesie. Der histologische Befund bestätigte seinen klinischen Verdacht einer lokalisierten Sklerodermie (Morphaea). Er veranlasste eine weitere Überweisung an die pädiatrisch-dermatologische Sprechstunde der Universitätsklinik Zürich mit Frage nach Art der notwendigen beziehungsweise sinnvollen Therapie in diesem Alter. Laura war ansonsten gesund, und es gab auch in der Vergangenheit keine nennenswerten Erkrankungen.
Präsentation bei der Erstuntersuchung Zirka 5 Monate nach Erkrankungsbeginn, im Juni 2010, sahen wir Laura auf Zuweisung in unserer kinderdermatologischen Sprechstunde. In der Untersuchung zeigten sich am Kinn links sowie temporal und Wange links und am lateralen Augenwinkel links unscharf begrenzte hypo- bis fast depigmentierte sklerotisch glänzende Plaques bis 2 cm Duchmesser mit vor allem am Kinn subkutaner Atrophie und entsprechender Eindellung (Abbildung I). In der Über-
Abbildung I
Abbildung II
sicht des Gesichts frontal fiel eine Asymmetrie mit leichter fazialer Hemiatrophie links auf (Abbildung II). Auf weiteren, von den Eltern nachträglich mitgebrachten Fotos liessen sich diese faziale Asymmetrie sowie eine leichte Hypopigmentierung am Kinn links bereits im Herbst 2009 erkennen. Die Kieferöffnung war uneingeschränkt, das Kiefergelenk indolent. Am Capillitium fand sich keine Alopezie, und die Zunge war symmetrisch.
Abklärungen und Untersuchungsbefunde Histologie (Punchbiopsie 3 mm von temporal links): Hyalinisierung des kollagenen Bindegewebes, Einmauerung der Schweissdrüsen, lymphohistiozytäres Entzündungsinfiltrat in der oberen Dermis; Borrelien-PCR (aus Gewebe) negativ.
MRI des Schädels mit Kontrastmittel: leichte Asymmetrie der Seitenventrikel (li > re), keine Hinweise für Vaskulitis, leichte Atrophie des subkutanen Fettgewebes Wange links.
Augenuntersuchung: unauffällig
Kieferorthopädische Untersuchung: keine Kiefergelenksarthritis, Retrognathie des Unterkiefers, leichte Asymmetrie des Unterkiefers mit Atrophie links.
Serologie: Immunserologie (ANA, RF, Schilddrüsen-Autoantikörper), Blutbild, CRP: unauffällig
Genetische Ursache der lokalisierten Sklerodermie?
Eine Studie am Kinderspital Zürich geht dieser Frage nach
Die Beobachtung, dass die lineäre lokalisierte Sklerodermie entlang der Blaschko-Linien verläuft, weist auf eine genetische Ursache im Sinne eines somatischen Mosaiks hin. Die Blaschko-Linien repräsentieren embryonale Wanderwege von Hautzellen. Für viele andere blaschkolineäre Hauterscheinungen (wie epidermale Nävi, Nävi sebacei, Hypomelanosis Ito) konnten in den letzten Jahren die zugrunde liegenden genetischen Mutationen – in Mosaikpräsentation der Haut – nachgewiesen werden. In diesem Sinne ist es nun für die Ursachenfindung der lokalisierten Sklerodermie von Interesse, Hautproben betroffener Patienten mit modernen molekulargenetischen Methoden genauer zu untersuchen. Wir gehen davon aus, dass damit eine den Patienten gemeinsame, nur im betroffenen Hautareal vorkommende genetische Veränderung (Mutation) gefunden werden kann. Derartige Erkenntnisse könnten zukünftig verbesserte Behandlungsmöglichkeiten, sogenannte zielgerichtete Therapien, ermöglichen. Unter der Leitung von PD Dr. med. Alexander Navarini und Dr. med. Lisa Weibel wird eine Studie im Jahr 2014 dieser Fragestellung nachgehen.
Für weitere Informationen bezüglich einer Studienteilnahme steht Dr. med. Lisa Weibel unter lisa.weibel@kispi.uzh.ch zur Verfügung.
Abklärung und Behandlung von Kindern mit lokalisierter Sklerodermie sollten durch ein Zentrum für pädiatrische Dermatologie erfolgen, idealerweise in Zusammenarbeit mit pädiatrischen Rheumatologen, Physiotherapeuten, Kieferchirurgen, plastischen Chirurgen, Neurologen oder Ophthalmologen. Insbesondere für Patienten mit En-coup-de-sabreMorphaea sind plastisch-chirurgische Möglichkeiten wie Narbenkorrektur, autologe Fetttransplantation und Einsatz von Fillern von grosser Bedeutung.
Fazit für die Praxis Die Diagnose einer Morphaea oder lokalisierten Sklerodermie sollte bei Kindern mit folgenden Hautveränderungen in Erwägung gezogen werden: O nicht abheilende Makula oder Plaque mit Erythem O Teleangiektasien O Hyper- oder Hypopigmentierungen O Induration/Sklerosierung («elfenbeinfarbene Verhärtung») O Eindellung/Atrophie O Umfangsabnahme einer Extremität O vernarbende Alopezie und lokalisierter Verlust der Kör-
perbehaarung (inkl. Wimpern, Augenbrauen).
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Abbildung III
Verlauf Die klinische Untersuchung zusammen mit dem histologischen Befund waren diagnostisch für das Vorliegen einer lineären lokalisierten Sklerodermie (Morphaea) vom En-coup-de-sabre-Typ. Die oben erwähnten weiteren Routineuntersuchungen bei einer lineären Sklerodermie dieser Art wurden veranlasst. In Anbetracht der Klinik und Anamnese mit Fotovergleich lag eindeutig eine progressive Erkrankung vor mit beginnender fazialer Hemiatrophie links. Mit diesem Hintergrund wurde diekt nach Abschluss der Untersuchungen eine Systemtherapie mit systemischen Steroiden und Methotrexat eingeleitet. Laura erhielt im Juni 2010 zwei Zyklen i.v.-Methylprednisolon (je 3 Tage, je 500 mg/Tag) im Abstand von 1 Woche. Gleichzeitig wurde die Behandlung mit niedrig dosiertem Methotrexat (15 mg/m2) subkutan 1× wöchentlich begonnen. Die Eltern wurden in der Applikation der Methotrexatspritzen instruiert,
und fortan übernahm der Vater die Verabreichung dieser wöchent-
lichen Behandlung. Begleitend nahm Laura 5 mg Folsäure mit zirka
48 h Abstand vom Methotrexat.
Unter Therapie mit Methotrexat zeigte sich ein sehr gutes Ansprechen
der Morphaea mit innert 10 Monaten praktisch vollständig regredien-
ter Sklerose und konsekutiv postinflammatorischer Hyperpigmentie-
riung (anstelle von sklerotischer Hypopigmentierung) (Abbildung III).
Die Ekrankung war in ihrem Progress gestoppt, und es traten keiner-
lei neue Hautveränderungen auf. Die leichte faziale Hemiatrophie blieb
jedoch – wie so oft bei Sklerodermie «en coup de sabre» während des
Wachstumsalters – bestehen beziehungsweise war im Verlauf eher
etwas deutlicher sichtbar (Abbildung IV). Die Behandlung wurde
von Laura sehr gut vertragen. Im
zweiten Jahr der Methotrexat-
therapie war sie im Verlauf etwas
«spritzenmüde», und wir wech-
selten auf eine perorale Therapie
(in gleicher Dosierung). Gelegen-
tlich war damit am Tag nach der
Tabletteneinnahme etwas Übel-
keit verbunden, welche sich unter
zusätzlicher Medikation mit Zofran
Abbildung IV
(Tbl.) deutlich besserte.
Nach ingesamt gut zwei Jahren Methotrexattherapie stoppten wir bei anhaltend gutem Verlauf die Behandlung im September 2012 und beobachten Laura seither 6-monatlich anhand Fotodokumentation in unserer Sprechstunde. Die Erkrankung zeigt sich weiterhin inaktiv, und die faziale Hemiatrophie bleibt stabil. Laura stört sich derzeit überhaupt nicht an den noch diskret sichtbaren Hautveränderungen. Aktuell ist eine kieferorthopädische Versorgung (Zahnspangen) zur Verbesserung der Kieferstellung geplant. Es wurde mit der Patienten besprochen, dass im Verlauf, falls ein entsprechender Wunsch besteht, plastisch-rekonstruktive Massnahmen (z.B. autologe Fettinjektion) durchgeführt werden können, um die lokalisierte Atrophie am Kinn und die faziale Hemiatrophie zu verbessern.
Bei klinischem Verdacht auf Morphaea ist eine unverzügliche
weitere spezialärztliche Abklärung in die Wege zu leiten. Es
stehen heute effiziente Therapien für den Einsatz im Kindes-
alter zur Verfügung, durch welche das Fortschreiten der
Erkrankung gestoppt und schwerwiegende Folgen verhin-
dert werden können.
O
Dr. med. Lisa Weibel Leitende Ärztin Dermatologie Kinderspital Zürich Steinwiesstrasse 75 8032 Zürich E-Mail: lisa.weibel@kispi.uzh.ch
4. Laxer RM, Zulian F: Localized scleroderma. Curr Opin Rheumatol 2006; 18: 606–613. 5. Leitenberger JJ, Cayce RL, Haley RW et al.: Distinct autoimmune syndromes in mor-
phea. A review of 245 adult and pediatric cases. Arch Dermatol 2009; 145: 545–550. 6. Weibel L, Harper JI: Linear morphoea follows Blaschko’s lines. Br J Dermatol 2008;
159(1): 175–181. 7. Weibel L, Laguda B, Atherton D, Harper JL: Misdiagnosis and delay in referral of
children with localized scleroderma. Brit J Dermatol 2011; 165: 1308–1313. 8. Weibel L, Howell KJ, Visentin MT et al.: Laser Doppler flowmetry for assessing
localized scleroderma in children. Arthritis Rheum 2007; 56 (10): 3489–3495. 9. Kreuter A, Hyun J, Stücker M et al.: A randomized controlled study of low-dose UVA1,
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Wir danken Frau Dr. Saskia Karg, wissenschaftliche Koordination radiz, UniversitätsKinderspital Zürich, für ihre Unterstützung beim Zusammenstellen dieses Beitrags. «radiz» steht für «Rare Disease Initiative Zürich», klinischer Forschungsschwerpunkt für seltene Krankheiten Universität Zürich.
Literatur: 1. Weibel L, Harper J: Morphea. In: Textbook of Pediatric Dermatology (Irvine A, Yan A,
Hoeger P), 3rd edition. Blackwell Publishing Oxford, 2011. 2. Zulian F, Vallongo C, Woo P et al.: Localized scleroderma in childhood is not just a skin
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Seltene Krankheit? Häufiges Problem!
Man schätzt, dass 5 bis 6 Prozent der Bevölkerung von einer der bis anhin bekannten rund 7000 seltenen Krankheiten betroffen sind, in der Schweiz somit rund eine halbe Million Menschen. In unserer Reihe «Seltene Krankheit? Häufiges Problem!» ist bereits erschienen: O Primäre Ziliendyskinesie, ARS MEDICI 11/2013.
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