Transkript
FORSCHUNG
Wirksame Arzneipflanzen bei dermatologischen Erkrankungen
Studien belegen die Wirksamkeit bei atopischer Dermatitis, Psoriasis, Akne, Kondylomen und Herpes simplex
Letztes Jahr erschien eine
Studie1, in der die Autoren
eine Übersicht über phytothe-
rapeutische Anwendungsmög-
lichkeiten in der Dermatologie
vorstellten. In der Folge wer-
den bei den einzelnen Indika-
tionen diejenigen Pflanzen
vorgestellt, bei denen Studien
mit einem Wirksamkeitsnach-
weis gefunden wurden.
Christoph Bachmann
Einleitung
Ziel der erwähnten Studie war es, eine Übersicht von dermatologisch verwendeten Pflanzenextrakten bei atopischer Dermatitis, Psoriasis, Akne, Kondylomen und Herpes simplex zu geben. Die Autoren berücksichtigten vorwiegend kontrollierte klinische Studien mit ausreichend hohem Evidenzniveau. Dazu führten Sie eine Literaturrecherche durch und bewerteten die Qualität der gefundenen Publikationen mit den vom britischen National Health Service vorgeschlagenen «Levels of Evidence» (LOE) (1) (vgl. Kasten).
1 Reuter J., Wölfle U., Weckesser S., Schempp C.: Welche Pflanze für welche Hauterkrankung? Teil 1: Atopische Dermatitis, Psoriasis, Akne, Kondylome und Herpes simplex, DOI: 10.1111/j.16100387.2010.07496x
In der Folge werden bei den besprochenen Indikationen nur diejenigen Arzneipflanzen erwähnt, bei denen Studien eine Wirkung nachweisen konnten.
Atopische Dermatitis
Ballonrebe, Cardiospermum halicacabum Die Autoren zitieren eine Arbeit mit LOE-A, in der ein Cardiospermumextrakt bei atopischen Patienten mit vorwiegend leichten Ekzemen gegenüber Plazebo eine knappe Überlegenheit zeigte (71% vs. 60%) (3).
Johanniskraut, Hypericum perforatum Zwei Studien liefern Ergebnisse über die Wirksamkeit von Johanniskrautextrakten bei atopischer Dermatitis. Eine randomisierte, plazebokontrollierte Doppelblindstudie untersuchte im Halbseitenvergleich eine Creme mit hyperforinreichem Hypericumextrakt bei Patienten mit subakuter atopischer Dermatitis (4) (LOE-A). Das Studienpräparat erwies sich dem Vehikel gegenüber als überlegen und wurde von den Patienten ausgezeichnet vertragen sowie kosmetisch akzeptiert. Eine Anschlussstudie mit 15 Patienten stellte im Behandlungsfeld, im Gegensatz zu den unbehandelten Partien, eine Zunahme der Hydratation und eine Abnahme des transepidermalen Wasserverlustes sowie der Schuppigkeit fest (LOE-B).
Süssholz, Glycyrrhia glabra Hier zitieren die Autoren zwei Studien (beide LOE-A). In der einen wurde ein reiner
Süssholzextrakt (1%- bzw. 2%-iges Gel) und in der anderen eine Mischung aus Glycyrrhetinsäure, Weinlaubextrakt, Telmestein und Allantoin überprüft. In einer doppelblinden, plazebokontrollierten, klinischen Phase-II-Studie wurde das 2-prozentige Gel bei atopischer Dermatitis überprüft (5). Nach zweiwöchiger Behandlung zeigte sich das Gel sowohl gegenüber Plazebo als auch gegenüber dem 1-prozentigen Gel als signifikant überlegen. Da das zweite Präparat der Definition für ein pflanzliches Präparat nicht entspricht, wird hier nicht weiter darauf eingegangen.
Mahonia, Mahonia aquifolium 2007 erschien eine prospektive, nicht vergleichende Studie (6), in der eine Creme mit 10 Prozent Mahoniaextrakt während zwölf Wochen bei atopischer Dermatitis angewendet wurde (LOE-B). Der deutlich verbesserte Hautbefund konnte jedoch wegen der fehlenden Kontrolle nicht eindeutig auf den Mahoniaextrakt zurückgeführt werden.
Nachtkerze, Oenothera biennis Die Nachtkerze ist die bei atopischer Dermatitis am besten untersuchte Arzneipflanze (vgl. Artikel Nachtkerzenöl bei atopischer Dermatitis, S. 342 in diesem Heft) Die im erwähnten Artikel beschriebene Metaanalyse von Morse und Clough (7) erhält hier das Prädikat LOE-A. Interessanterweise interpretieren die Autoren des vorliegenden Artikels die Resultate der Metaanalyse
Kasten: Levels of Evidence des UK National Health Service Level A: randomisierte, klinisch kontrollierte Studien und Kohortenstudien Level B: schlüssige retrospektive oder untersuchende Kohortenstudien, Forschungs-
ergebnisse, Fallkontrollstudien, sowie Anschlussstudien aus Level A Level C: Fallbeschreibungen oder Anschlussstudien aus Level B Level D: Expertenmeinungen ohne wissenschaftlichen Hintergrund, reine Labor-
forschung, Wirkungsmechanismen
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zurückhaltend und schreiben «... dass zwar ein positiver, aber nur moderater Einfluss von Nachtkerzenöl auf Juckreiz, Schuppung und Krustenbildung besteht».
Birke, Betula alba In Deutschland wird eine Creme mit einem Triterpenextrakt aus der äusseren Birkenrinde zur Pflege der trockenen Haut verwendet. Eine nicht randomisierte, retrospektive Studie zeigte ein vorwiegend gutes Ansprechen der atopischen Dermatitis auf die Behandlung mit dieser Creme (LOE-C) (8)
Zistrose, Cistus incanus Hier wird eine nicht kontrollierte Studie mit 95 Kindern zitiert, die alle bereits während fast drei Viertel ihres Lebens an atopischer Dermatitis litten (LOE-B) (9). Die betroffenen Hautstellen wurden zweimal täglich mit einem Zistrosensud abgewaschen. Weiter tranken die Kinder täglich 1 Glas Zistrosentee. Bei 80 Prozent der Kinder zeigte sich nach zwei Wochen eine deutliche Verbesserung des Hautzustands, bei 64 Prozent der Kinder heilten die Hautsymptome sogar ab.
Oolong-Tee, Camelia sinensis Oolong-Tee ist ein spezieller Tee aus der Teepflanze Camelia sinensis, der nach dem Pflücken durch einen speziellen Fermentationsprozess gewonnen wird. In einer offenen Studie (10) tranken 121 Patienten mit atopischer Dermatitis in drei Tagesdosen täglich 1 Liter Oolong-Tee. Nach einem Mo-
nat zeigte sich bei 63 Prozent der Probanden eine deutliche Verbesserung der Hautsymptome, die nach sechs Monaten bei 54 Prozent der Probanden noch anhielt (LOE-B).
Psoriasis
Mahonia, Mahonia aquifolium Auch bei Psoriasis wurde Mahonia geprüft. Eine grosse Studie (11), die in einer renommierten amerikanischen Zeitschrift publiziert wurde, zeigte für eine 10-prozentige Mahoniacreme eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit (LOE-A).
Aloe vera Über die Wirksamkeit von Aloe vera bei Psoriasis wurden zwei Studien mit kontroversen Resultaten publiziert. Eine der Studien (12) wurde randomisiert und vehikelkontrolliert mit einer Creme mit 0,5 Prozent Aloe-vera-Extrakt bei 60 Patienten mit Psoriasis durchgeführt. Die Creme wurde während vier Wochen dreimal täglich angewendet, und es konnte eine Überlegenheit gegenüber dem Vehikel gezeigt werden (LOE-A). Eine andere Studie (13) mit einem 90%-igen Aloegel konnte diese Wirkung nicht bestätigen (LOE-A).
Niembaum, Azadirachta indica Dieser indische Baum wird in der indischen Medizin schon seit sehr langer Zeit verwendet. Indische Wissenschaftler konnten in einer Studie (14) mit dem Prädikat LOE-A zeigen, dass bei einer topischen Behandlung der Psoriasis bei Patienten, die neben
einer Behandlung mit Teerpräparaten und Salicylsäure zusätzlich Kapseln mit Niembaumextrakt erhielten, nach zwölf Wochen im Vergleich zur Gruppe, die keine zusätzliche Behandlung erhielt, eine deutliche Verbesserung der Symptome festgestellt werden konnte.
Akne
Teebaum, Melaleuca alternifolia In einer einfach verblindeten Studie wurden 124 Aknepatienten entweder mit 5prozentigem Teebaumöl oder mit 5-prozentigem Benzoylperoxid behandelt (15). Nach zwölf Behandlungswochen zeigte sich in beiden Gruppen eine gleich starke, deutliche Verbesserung der Akne (LOE-B). Eine vehikelkontrollierte, randomisierte, 45 Tage dauernde Doppelblindstudie bestätigte die Wirksamkeit eines Gels mit 5 Prozent Teebaumöl (16) (LOE-A).
Grüntee, Camelia sinensis Bei einer nicht randomisierten, prospektiven, sechs Wochen dauernden Studie konnte mit einem 2-prozentigen Grünteeextrakt bei 20 Aknepatienten die Wirksamkeit bei Akne gezeigt werden (17) (LOE-B).
Condylomata acuminata
Grüntee, Camelia sinensis Die erstaunlichen medizinischen Eigenschaften des Grüntees zeigen sich auch bei Condylomata acuminata: Zwei Studien konnten die Wirksamkeit belegen. In einer randomisierten, plazebokontrollier-
Tabelle: Wirksame Arzneipflanzen
Indikation Atopische Dermatitis
Psoriasis Akne Condylomata acuminata Herpes simplex
Arzneipflanze Ballonrebe, Cardiospermum halicacabum Johanniskraut, Hypericum perforatum Süssholz, Glycyrrhia glabra Mahonia, Mahonia aquifolium Nachtkerze, Oenothera biennis Birke, Betula alba Zistrose, Cistus incanus Oolong-Tee, Camelia sinensis Mahonia, Mahonia aquifolium Aloe vera Niembaum, Azadirachta indica Teebaum, Melaleuca alternifolia Grüntee, Camelia sinensis Grüntee, Camelia sinensis Zitronenmelisse, Melissa officinalis Salbei, Salvia officinalis und Rhabarber, Rheum palmaticum
In der Schweiz registrierte Präparate Omida Cardiospermum Salbe kein entsprechendes pflanzliches Präparat registriert kein entsprechendes pflanzliches Präparat registriert Omida Rubisan® Salbe Epogam® Vegicaps kein entsprechendes pflanzliches Präparat registriert kein entsprechendes pflanzliches Präparat registriert kein entsprechendes pflanzliches Präparat registriert Omida Rubisan® Salbe kein entsprechendes pflanzliches Präparat registriert kein entsprechendes pflanzliches Präparat registriert kein entsprechendes pflanzliches Präparat registriert kein entsprechendes pflanzliches Präparat registriert kein entsprechendes pflanzliches Präparat registriert Valverde Fieberbläschen Creme Phytovir®
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ten Phase-III-Studie (18) wurde eine Creme mit entweder 10 oder 15 Prozent Polyphenon E®, ein patentierter, standardisierter Grünteeextrakt, bei 503 Patienten mit äusserlichen genitalen und perianalen Kondylomen angewendet und mit dem Vehikel verglichen. In der Polyphenon-E-Gruppe zeigte sich bei über 50 Prozenten der Patienten eine Abheilung, verglichen mit 37 Prozent in der Vehikelgruppe (LOE-A). Eine weitere, multizentrische Studie mit 1005 Patienten konnte dieses Resultat bestätigen (19) (LOE-A). Polyphenon E® ist inzwischen in einigen Ländern zur Behandlung von Kondylomen zugelassen, in der Schweiz jedoch nicht.
Herpes simplex
Zitronenmelisse, Melissa officinalis Im vorliegenden Artikel wird eine randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte Studie zitiert (20), bei der 66 Personen mit rezidivierendem Herpes simplex labialis während fünf Tagen viermal täglich mit einer Melissencreme behandelt wurden. Gegenüber Plazebo wurde eine signifikant schnellere Abheilung festgestellt (LOE-A).
Salbei, Salvia officinalis und Rhabarber, Rheum palmaticum Auch ein Kombinationspräparat mit diesen beiden Pflanzenextrakten erwies sich in einer randomisierten, verumkontrollierten Studie als wirksam (21). 149 Patienten erhielten entweder das pflanzliche Präparat oder eine Creme mit Aciclovir. Beide Präparate erwiesen sich als gleich wirksam, mit einer trendmässigen Überlegenheit des pflanzlichen Präparats (LOE-A).
Zusammenfassung
Für die besprochenen Indikationen konn-
ten mit verschiedenen Arzneipflanzen eine
Wirksamkeit gezeigt werden. Die Tabelle
stellt die Pflanzen übersichtlich dar und er-
wähnt in der Schweiz registrierte Präpa-
rate.
Bei einigen Arzneipflanzen ohne entspre-
chendes in der Schweiz registriertes Präpa-
rat kann mit einem selber hergestellten
Extrakt eine Anwendung versucht werden,
wie das zum Beispiel mit Grüntee sehr gut
möglich ist.
◆
Anschrift des Verfassers Dr. Christoph Bachmann Hirschmattstrasse 46 6003 Luzern c.a.bachmann@bluewin.ch
Literaturreferenzen:
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Kommentar
Es wird oft gesagt, die Phytotherapie spiele in der Dermatologie nur eine geringe Rolle.
Ausser einigen schon seit langer Zeit verwendeten Präparaten, die von vielen Beteiligten
auch gar nicht als pflanzliches Arzneimittel im modernen Sinne wahrgenommen werden,
gäbe es eigentlich keine dermatologisch wirksamen pflanzlichen Präparate. Der vorlie-
gende Artikel zeigt aber, dass es durchaus Arzneimittel gibt, die bei verschiedenen derma-
tologischen Indikationen eine pflanzliche Alternative zu den herkömmlichen Präparaten
sein können. Leider gibt es von vielen dieser hier erwähnten Arzneipflanzen noch kein ent-
sprechendes Präparat auf dem Markt. Das hat sicher auch mit den heute geltenden Regis-
trierungsvorschriften zu tun, die für ein pflanzliches Präparat bei einer neuen Indikation
ein fast unüberwindbares Hindernis darstellen. Bei einigen Anwendungen ist im Moment
noch die Kreativität des behandelnden Arztes gefragt. Vielleicht ist es sinnvoll, einen Pa-
tienten mit atopischer Dermatitis ein hyperforinreiches Johanniskrautpräparat einneh-
men zu lassen und die Wirkung zu überprüfen. Und Grüntee zur topischen Anwendung ist
überall erhältlich. Vielleicht kann auch die Nachfrage bei einer Apothekerin oder einem
Apotheker helfen, ein Präparat zu finden oder eines herzustellen zu lassen! Es gibt ver-
schiedene Nahrungsergänzungsmittel, die zwar den Anforderungen eines modernen
Extrakts entsprechen, aber wegen der fehlenden Registrierung keine Indikationen ange-
ben dürfen.
Dr. Christoph Bachmann
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