Transkript
Forschung
Olibanum indicum: indischer Weihrauch
Eine Übersicht
In der jüngsten Ausgabe der europäischen Pharmakopöe (Supplement 5.7, erschienen im Oktober 2006, erst in englischer und französischer Sprache vorliegend) ist der indische Weihrauch unter dem Titel Indian frankincense (Olibanum indicum) neu monografiert. In diesem Zusammenhang wurden die in diesem Artikel beschriebenen Untersuchungen durchgeführt. Es wird zusammenfassend über den aktuellsten Erkenntnisstand berichtet.
wächse, die Harze bilden. Die Gattung Boswellia ist in etwa 20 Arten unterteilt, die als Stammpflanzen des Weihrauchharzes gelten. Über die genaue Anzahl der Arten gibt es unterschiedliche Angaben. Die wichtigsten Vertreter sind B. sacra Flück (Synonym: B. carteri Birdw.) aus Südarabien, Somalia und Äthiopien, B. frereana Birdw. aus Somalia und B. serrata Roxb. aus Indien.
Das Weihrauchharz wird durch Einschneiden des Stammes gewonnen. Dabei tritt eine zähe Masse aus, die an der Luft zu runden, tränenförmigen oder stalaktitartigen Formen erstarrt. Dieses Harz ist von matter gelber, gelbrötlicher oder bräunlicher Farbe mit einem balsamischen Geruch, welcher sich vor allem nach Erhitzung entfaltet. Die Harze der drei Arten B. serrata, B. sacra und B. frereana sind in Abbildung 1 dargestellt.
Inhaltsstoffe
Janine Rethage, Beat Meier
Einführung
Weihrauchbäume gehören zur Familie der Balsambaumgewächse (Burseraceae), welche 18 Gattungen umfasst, unter anderem auch Myrrhe (Commiphora). Alle Vertreter dieser Familie sind Bäume oder buschartige Ge-
Das Gummiharz von B. frereana und besonders dasjenige von B. sacra wird als Olibanum bezeichnet und besteht aus 5 bis 9 Prozent ätherischem Öl, etwa 66 Prozent Reinharz und etwa 12 Prozent Schleim. Indischer Weihrauch (engl.: Indian Olibanum, Indian Frankincense, Salai Guggal) ist das Harz von B. serrata und besteht aus 7,5 bis 9 Prozent ätherischem Öl, etwa 56 Prozent Reinharz und etwa 23 Prozent Schleim
Abbildung 1: Gummiharze von B. serrata, B. sacra und B. frereana
(Sabieraj J). Der Schleim besteht aus Polysacchariden, welche aus unterschiedlichen Bestandteilen zusammengesetzt sind. Die Inhaltsstoffe sind in Tabelle 1 genauer dargestellt.
Von besonderem Interesse sind die Bestandteile des Reinharzes. Es handelt sich hierbei um über 60 Prozent Triterpensäuren, die zur umfangreichen Gruppe der Triterpene gehören. Bei Weihrauch werden sie vorwiegend durch die gattungsspezifischen Boswelliasäuren vertreten, welche zu den pen-
11-keto--Boswellic Acid (KBA)
Acetyl-11-keto-Boswellic Acid (AKBA)
Abbildung 2: Struktur von KBA und AKBA
tazyklischen Triterpensäuren gezählt werden und in ␣-Boswelliasäuren (mit einem Oleangerüst) und -Boswelliasäuren (mit einem Ursangerüst) unterteilt werden. Von besonderer Bedeutung sind die beiden Boswelliasäuren 11-Keto--Boswelliasäure (KBA) und Acetyl-11-keto--Boswelliasäure (AKBA) (Abbildung 2). Daneben gibt es auch Säuren mit einem Tirucallan – (= tetrazyklische Triterpensäuren), Lupan- und Dammarangerüst. Der restliche Anteil des Reinharzes (ca. 35%) besteht aus ungesättigten organischen Verbindungen.
Die ersten Untersuchungen zu Harzen wurden von Alexander Tschirch (1865–1939) vorgenommen. Versuche zu den sauren Komponenten im Weihrauch wurden von Oscar Halbey 1898 durchgeführt, welcher erstmals die Boswelliasäuren isolieren konnte (Tschirch A., Halbey O.). Es folgten erste Charakterisierungen von Triterpensäuren mittels massenspektrometrischer Untersuchungen (Pardhy und Bhattacharyya), mit deren Hilfe zwischen
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Tabelle 1: Inhaltsstoffe von B. serrata, B. sacra und B. frereana
Inhaltsstoff Ätherisches Öl
Reinharz
Schleim: Polysaccharide, zusammengesetzt aus:
B. serrata Hauptbestandteile: ␣-Thujen, daneben ␣-Phellandren, ␣-Pinen
Pentazyklische Triterpensäuren, Tetrazyklische Triterpensäuren, Serratol
46% D-Galactose, 12% D-Arabinose, D-Mannose, 4-D-Methylglucuronsäure, D-Xylose, Rhamnose, Digitoxose, Galacturonsäure
B. sacra Mind. 42 Komponenten: 60% 1-Octylacetat, 12,7% 1-Octanol, Cembren, Incensol, Isocembren, Isoincensol, ␣-Pinen Pentazyklische Triterpensäuren, Cembrenol I, 4-Dihydroroburicsäure, Epilupeol, Epilupeolacetat, Tirucallol Galactose, Arabinose, 4-O-Methylglucuronsäure, Bassorin
B. frereana Cembren, ␣-Cubeben, p-Cymen, Isocembren, Limonen, Myrcen, ␣-Pinen, Sabinen, ␣-Terpinen, Terpinen-4-ol Triterpene: Epilupeol, Lupeol, Triterpene vom Dammarantyp Galactose, Arabinose, 4-O-Methylglucuronsäure, Bassorin
verschiedenen Boswelliaarten unterschieden werden konnte (Hairfield et al.).
Differenzierung zwischen verschiedenen Boswelliaarten
Aufgrund unterschiedlicher qualitativer und quantitativer Zusammensetzung bei den verschiedenen Weihraucharten ist die Charakterisierung und Identifizierung der Harze sehr wichtig. Zur Differenzierung zwischen den verschiedenen Arten können neben Geruch, Geschmack und Aussehen analytische Untersuchungsmethoden eingesetzt werden. Mit deren Hilfe sind eindeutige Zuordnungen möglich. Zudem können allfällige Verfälschungen des Harzes einfacher erkannt werden. Wichtigste Verfälschungen sind Beimischungen von Kolophonium und Terpentin (Sabieraj J.).
Bei Untersuchungen zum inzwischen verabschiedeten Monografieentwurf von Olibanum indicum der europäischen Pharmakopöe wurden verschiedene Proben von B. serrata, B. sacra und B. frereana analysiert. Dabei wurden der Gehalt an KBA und AKBA mittels Hochleistungschromatografie (HPLC) bestimmt und die unterschiedlichen Fingerprints mittels Hochleistungs-Dünnschichtchromatografie (DC, HPTLC) verglichen. Diese Methoden werden in der Monografie für indischen Weihrauch zur Differenzierung gefordert, da sie die geeigneten Mittel zur analytischen Identifizierung der verschiedenen Boswelliaarten sind.
Bei den Proben handelte es sich um Harze aus dem Handel. Von B. serrata
Tabelle 2: Herkunft der Harzproben aus dem Handel
B. serrata 1: Indien 2: Indien 3: Indien 4: Nagpur, Indien 5: Chennai, Indien 6: Indien
B. sacra 7: Äthiopien 8: Sudan 9: Sudan 10: Äthiopien 11: Portugal 12: Äthiopien
B. frereana 13: Oman
wurden sechs verschiedene Harze untersucht, wobei sich bei Probe 1 und 2 nach der Analyse die gleiche Quelle herausstellte. Von B. sacra wurden ebenfalls sechs Proben untersucht, während von B. frereana nur eine Probe vorhanden war. Die Herkunft der Proben ist in Tabelle 2 dargestellt.
Die zur Untersuchung notwendigen Probe- und Referenzlösungen wurden nach Ph Eur zubereitet. Kurz zusammengefasst wurden je 100 mg der pulverisierten Harze mit 10 ml Methanol versetzt und 10 Minuten im Ultraschallbad gelöst. Nach Zentrifugation wurden die Extrakte durch eine Membran filtriert. Als Referenzsubstanzen dien-
ten KBA und AKBA. Zur Herstellung der Referenzlösungen wurden je 1 mg dieser Boswelliasäuren in 10 ml Methanol gelöst. Die HPLC und HPTLC wurden gemäss Ph Eur ausgeführt, wobei bei der HPTLC zusätzlich eine Derivatisierung mit Vanillin-Reagenz durchgeführt wurde. Die HPLC-Chromatogramme wurden bei 250 nm aufgezeichnet.
Die Resultate dieser Studie zeigen deutliche Unterschiede zwischen den drei verschiedenen Boswelliaarten bezüglich des Gehalts an KBA und AKBA und den Fingerprints. Wie in den Abbildungen 3 und 4 und in Tabelle 3 ersichtlich ist, sind die prozentualen Gehalts-
Abbildung 3: Gehalt an KBA und AKBA in 6 verschiedenen Harzproben von B. serrata
Abbildung 4: Gehalt an KBA und AKBA in 6 verschiedenen Harzproben von B. sacra
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Tabelle 3: Übersicht über die prozentualen Gehaltsanteile von KBA und AKBA in verschieden Boswellia-Arten
Art B. serrata (6) B. sacra (6) B. frereana (1)
KBA-Anteil (%) im Harz 0,94–2,11 0,43–1,08 0,027
AKBA-Anteil (%) im Harz 0,93–1,92 3,56–4,19 0,001
Verhältnis AKBA/KBA 0,68–1,03 3,39–8,30 –
anteile von KBA und AKBA, bezogen auf das Harz, je nach Art unterschiedlich. Bei B. serrata liegen die Werte von beiden Boswelliasäuren um je etwa 1 bis
2 Prozent, wobei die Anteile der Säuren etwa gleich gross sind. Die Pharmakopöe fordert ein Mindestgehalt von 1 Prozent für beide Boswelliasäuren.
Abbildung 5: HPLC-Chromatogramm von B. serrata, 250 nm
Abbildung 6: HPLC-Chromatogramm von B. sacra, 250 nm
Abbildung 7: HPTLC von B. serrata (Nr. 1–6), B. sacra (Nr. 7–12) und B. frereana (Nr. 13), Referenz: KBA und AKBA
Abbildung 8: HPTLC nach Derivatisierung mit Vanillin-Reagenz, Weisslicht; B. serrata (Nr. 1–6), B. sacra (Nr. 7–12) und B. frereana (Nr. 13)
Aufgrund dieser Anforderung können grössere Mengen an Verunreinigungen mit anderen Harzen ausgeschlossen werden. Bei B. sacra hingegen liegen die Werte für AKBA etwa drei- bis achtmal höher als für KBA. Dieses Verhältnis ist charakteristisch für diese Boswelliaart. Bei B. frereana konnten fast keine der beiden Boswelliasäuren nachgewiesen werden, was mit anderen Untersuchungen übereinstimmt (Bergmann J.H.).
Typische HPLC-Chromatogramme von B. serrata und B. sacra mit einer Messung bei 250 nm sind in den Abbildungen 5 und 6 dargestellt. Die Retentionszeit von KBA beträgt ungefähr 6,5 Minuten und diejenige von AKBA ungefähr 10 Minuten. Eine zusätzliche Möglichkeit zur Bewertung von HPLC-Chromatogrammen verschiedener Boswelliaarten ist die Messung bei 210 nm, wie in anderen Studien gezeigt wurde (Bergmann J.H., Büchele B. et al., Ganzera M., Khan I.A.).
Die Auswertung der HPTLC zeigt charakteristische Fingerprints bei 254 nm für die drei untersuchten Boswelliaarten (Abbildung 7). Diese Wellenlänge eignet sich am besten für die Identifizierung der Arten mittels DC. Bei B. serrata (Nr. 1–6) sind die Banden für KBA und AKBA von etwa gleicher Intensität, wogegen bei B. sacra (Nr. 7–12) die Bande für AKBA viel stärker ausgeprägt ist. B. frereana (Nr. 13) zeigt ein anderes Bandenmuster ohne KBA und AKBA-Banden.
Zusätzlich zur Ph-Eur-Methode wurde die DC-Platte mit Vanillin-Reagenz derivatisiert und unter Weisslicht ausgewertet (Abbildung 8). Die untersuchten Boswelliaarten zeigen unterschiedliche Bandenmuster, welche zusätzlich zur Beurteilung verwendet werden können. Die Bande mit einem Rf-Wert von 0,47 ist bei B. serrata blau und bei B. sacra grün gefärbt. Bei B. serrata herrscht eine Bande bei einem RfWert von 0,59 vor. Zusätzlich ist bei B. sacra eine gelbe Bande bei Rf = 0,69 vorhanden. Die markanteste Bande bei B. frereana liegt bei einem Rf-Wert von 0,56 und ist violett gefärbt. Mit dieser
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Methode können zwar Unterschiede zwischen den Arten erkannt werden. Trotzdem ist es schwierig, Banden, die bisher nicht einer Substanzklasse zugeordnet werden können, zu interpretieren. Die Zuverlässigkeit dieser Methode sollte weiter getestet werden.
Traditionelle Ver wendung
von Weihrauch
Zubereitungen des Weihrauchs werden schon seit Tausenden von Jahren verwendet. So wird der Weihrauch wegen seiner Heilwirkungen bereits in den alten Texten des Ayurveda, in der Charaka-Samhita (ca. 7. Jh. v. Chr.), erwähnt. Wegen seiner adstringierenden und kühlenden Wirkung – Eigenschaften, die Pitta1 reduzieren – wurde Weihrauch gegen entzündliche Erkrankungen eingesetzt, wie zum Beispiel Durchfall, Bronchitis, Asthma, Rachenentzündungen, Fieber, Blutungen sowie Störungen von Rakta-Dhatu (Neutralisierung von Entzündungsstoffen im Blut, bei Gicht und Rheuma) (Schrott E., Schachinger W.). Zudem wurde Weihrauch bei Erkrankungen im Bereich des Nervensystems angewendet.
Auch in anderen Kulturen wurde der Weihrauch verwendet. So wurde er im Papyrus Ebers, dem ältesten und grössten Buch zur Heilkunst Altägyptens (16. Jh. v. Chr.), beschrieben. Im Medizinbuch der arabischen Ärzte sind sogar 80 Rezepte mit Weihrauch enthalten. So wurde er gegen Wundrose, Nachtblindheit, Schnupfen, zu starken Blutfluss und als Antibrechmittel eingesetzt. In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) fand der Weihrauch Anwendung zur Reduktion von Schwellungen und zur Schmerzreduktion bei Entzündungskrankheiten und Tumoren. In der griechisch-römischen Antike wurde der Weihrauch sowohl von den grossen Ärzten Hippokrates, Celsus, Galen und Dioskurides als auch von den bekannten Botanikern, Philosophen und Schriftstellern jener Zeit beschrieben. Anwendungen fanden sich bei einer Vielzahl von Beschwerden, so zum Beispiel bei Verstopfung, Geschwüren, Entzündungen, Blutun-
1 Pitta ist eine der drei Lebensenergien (Tridoshas) im Ayurveda. Das Grundprinzip von Pitta ist die Umwandlung. Daneben gibt es Vata, das bewegende Prinzip, und Kapha, dessen Grundprinzip für die Stabilität und den Zusammenhalt steht. Diese drei Lebensenergien verleihen dem Menschen seine individuelle Konstitution.
gen, Geschwülsten, Katarrh, Husten, Gicht, chronischen Magenleiden, Erkrankungen der Geschlechtsteile und der Luftröhre, Lähmungen und Gelbsucht (Martinetz D. et al.).
Später wurden Anwendungen von Weihrauch unter anderem auch von Hildegard von Bingen (1089–1179), Paracelsus (1493–1541), Albrecht von Haller (1708–1777) und Gerhard Madaus (1938) beschrieben. Danach geriet der Weihrauch mit seinen Heilwirkungen europaweit in Vergessenheit.
Weihrauchprodukte heute
Seit einigen Jahren ist das Interesse an Weihrauch wieder gestiegen, was zu einem vermehrten Angebot an Präparaten führte. Die Vielfalt an Produkten ist gross und reicht von Präparaten aus der Rohdroge und aus Extrakten bis zu homöopathischen Zubereitungen. Weihrauch wird auch in kosmetischen Zubereitungen und als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben. Eines der bekanntesten Arzneimittel dürfte das H15 (in Indien Shallaki) sein. Es handelt sich dabei um Tabletten mit einem Extrakt aus Boswellia serrata, welche von der indischen Firma Gufic produziert werden. Viele Forschungsergebnisse basieren auf diesem Produkt. Trotzdem ist es in absehbarer Zeit in der Schweiz nicht mehr erhältlich, da die Zulassungen, bedingt durch das neue Heilmittelgesetz, auf nationaler Ebene geregelt werden und momentan nur eine demnächst verfallende Appenzeller Registrierung vorliegt (wie bereits in der Ausgabe Phytotherapie Nr. 3, 2006 berichtet wurde). Da auch in den anderen Ländern Europas kein zugelassenes Präparat auf dem Markt ist, besteht ein gewisses Interesse, ein solches zu entwickeln. Derzeit findet eine klinische Studie in Deutschland statt, bei welcher ein neues Produkt geprüft wird.
Pharmakologische Wirkungen
und klinische Untersuchungen
Die therapeutisch wichtigsten Inhaltsstoffe des Weihrauchs stellen die gattungsspezifischen Boswelliasäuren dar, obwohl das Harz ein Vielstoffgemisch ist und über 200 Inhaltsstoffe identifiziert wurden (Kreck C., Saller R.). Deshalb ist auch die synergistische Wirkung der einzelnen Komponenten zu beachten. Sie ist wahrscheinlich die Erklärung dafür, weshalb mit den Weihrauchextrakten generell bessere
Ergebnisse erzielt wurden als mit isolierten Boswelliasäuren.
Es konnte gezeigt werden, dass Boswelliasäuren die 5-Lipoxygenase (5LOX) struktur- und dosisabhängig hemmen (Safayhi H. et al., Sailer E.R. et al.), wobei die besten Resultate mit AKBA erzielt wurden. 5-LOX ist ein Schlüsselenzym bei Entzündungen und bildet Leukotriene. Eine vermehrte Synthese dieser Entzündungsmediatoren erfolgt unter anderem bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn und Asthma bronchiale. Demgegenüber konnte gezeigt werden, dass Boswelliasäuren nicht die Cyclooxygenase-2 (COX-2) hemmen, welche ebenfalls ein wichtiges Enzym bei Entzündungen ist. Dies könnte mit ein Grund sein, weshalb Weihrauch bei akuten Beschwerden der rheumatischen Arthritis (RA) wenig geeignet ist. Eine klinische Studie bei RA mit dem H15-Präparat konnte keine messbaren Effekte zeigen (Sander O. et al.). Zu ähnlichen Resultaten kommt eine andere Studie mit Weihrauchanwendung bei RA, bei welcher aber immerhin eine Reduktion der Gelenkschwellung beobachtet werden konnte (Chopra A. et al.). Signifikante Verbesserungen konnten hingegen in einer Studie bei Osteoarthritis verzeichnet werden, bei welcher ein Weihrauchextrakt angewandt wurde (Kimmatkar N. et al.).
In einer klinischen Studie mit Morbus-Crohn-Patienten konnte die Wirksamkeit von H15 nachgewiesen werden, indem dieses Präparat Mesalazin nicht unterlegen war (Gerhardt H. et al.). Von einer anderen Forschungsgruppe wurde das Harz von B. serrata in klinischen Studien mit Colitis-ulcerosaPatienten untersucht. In Anbetracht des gemessenen Gehaltes von 0,63 Prozent KBA und 0,7 Prozent AKBA handelte es sich dabei vermutlich um die Droge und nicht um einen Extrakt. Die neuere Studie derselben Arbeitsgruppe bestätigte dabei die positiven Resultate der ersten Untersuchung, indem in der Verumgruppe nach sechs Wochen ähnliche Resultate erzielt wurden wie bei der Kontrollgruppe, welche mit Sulfasalazin behandelt wurde (Gupta I. et al. 2001). Ausserdem konnte diese Arbeitsgruppe zeigen, dass in einer Studie mit Bronchialasthmapatienten 70 Prozent der behandelten Patienten nach sechs Wochen keine Symptome mehr aufwiesen (Gupta I. et al. 1998).
Auch in anderen Forschungsrichtungen wird B. serrata untersucht. Es liegt
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eine Reihe von In-vitro-Versuchen vor, bei welcher eine mögliche Krebshemmung untersucht wurde. So konnte eine antikanzerogene und antiproliferative Wirkung von Boswelliasäuren bei einigen Krebszelllinien nachgewiesen werden (Hostanska K. et al., Park Y.S. et al.). Eine neuere Untersuchung zeigt den apoptosefördernden Effekt von AKBA (Takada Y. et al.). Der Antitumoreffekt von Boswelliasäuren besteht unter anderem darin, dass diese die Topoisomerasen I und IIa inhibieren (Syrovets T. et al.). Bei Hirntumoren ist die Bildung eines peritumoralen Ödems charakteristisch. Es konnte mehrfach klinisch beobachtet werden, dass solche erfolgreich mit Weihrauchpräparaten unterdrückt wurden (Zirbel R. et al., Janssen G. et al.).
Eine neue Studie hat die Wirkung von verschiedenen Boswelliaarten auf diverse Cytochrom-P450-Enzyme untersucht, welche eine wichtige Rolle beim
Rezeptur 1:
Name des Arztes Adresse und Konkordatsnummer ________________________________ Datum Name und Vorname des Patienten Rp.
Olibanum indicum Ph Eur pulvis 46,0 g
m.f. granulatum aquosum ad capsulas CXX (Kapselgrösse 0)
4 x 1 Kapsel täglich
Rezeptur 2:
Name des Arztes Adresse und Konkordatsnummer ________________________________ Datum Name und Vorname des Patienten Rp.
Olibanum indicum Ph Eur pulvis
41,500 g
Aerosil
0,215 g
Magnesiumstearatum 1,300 g
m.f. pulvis ad capsulas CXX (Kapselgrösse 0)
5 x 1 Kapsel täglich
Metabolismus von Arzneimitteln spielen. Dabei konnte festgestellt werden, dass die untersuchten Arten B. serrata, B. sacra und B. frereana eine nichtselektive inhibitorische Wirkung aufweisen (Frank A., Unger M.). Wie relevant diese Daten sind, sollte durch weitere In-vitro- und In-vivo-Studien geklärt werden. Klinisch sind bisher keine Interaktionen bekannt.
Eine weitere wichtige Entdeckung ist die starke Abhängigkeit des pharmakokinetischen Profils der Boswelliasäuren im Weihrauch von der Nahrungsmittelaufnahme. Im Vergleich zur Nüchterneinnahme führt die Einnahme mit einer fettreichen Standardmahlzeit zu mehrfach erhöhten Plasmakonzentrationen. Bei einem therapeutischen Einsatz von Weihrauchpräparaten sollte daher die Einnahme mit oder kurz nach einer Mahlzeit erfolgen (Sterk V. et al.). Dies ist auch deshalb zu empfehlen, da dadurch mögliche unerwünschte Wirkungen wie Übelkeit oder Sodbrennen verringert werden können. Im Allgemeinen ist Weihrauch aber gut verträglich.
Empfehlungen
Die Anwendung von Weihrauchpräparaten empfiehlt sich demzufolge in erster Linie bei entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Weitere mögliche Anwendungsgebiete sind Osteoarthritis und Hirntumore, bei welchen die auftretenden Ödeme beeinflusst werden können. Erfahrungsmedizinisch wird Boswellia serrata auch bei Asthma bronchiale eingesetzt.
Rezeptur für die Herstellung
von Weihrauchkapseln
(Boswellia serrata)
Momentan verschreiben viele Ärzte die H15-Tabletten von Gufic. Da diese, wie bereits erwähnt, in absehbarer Zeit nicht mehr erhältlich sind, wurde nach einem Ersatz gesucht. Die Verschreibung von Kapseln für ein Individualrezept wird vorgeschlagen. Es wurden Kapseln als die Arzneiform der Wahl bestimmt, um eine möglichst einfache Rezeptur zu entwickeln. Dabei wird das pulverisierte Weihrauchharz von Boswellia serrata verarbeitet, welches in dieser Form im Handel bezogen werden kann. Das Pulver ist stark elektrostatisch und besitzt keine gute Fliessfähigkeit. Unterschiedliche Hilfsstoffe wie Aerosil, Stärke und Zellulose
wurden im Hinblick auf eine verbesserte Fliessfähigkeit des Pulvers untersucht. Für die Berechnung der Dosierung wurde das ayurvedische Arzneimittel H15 als Vergleichspräparat benutzt. Die Wirkstoffe KBA und AKBA dienten dabei als Referenzsubstanzen.
Nach der Untersuchung unterschiedlich hergestellter Granulate und Pulvermischungen und auf Basis einer Dosisberechnung für eine pharmakopöekonforme Droge (Gehalt ca. je 1% KBA und AKBA) im Vergleich zum klinisch geprüften H15 werden zwei Rezepturen vorgeschlagen: erstens die Herstellung eines Granulats und zweitens eine Pulvermischung. Sowohl die mit dem Granulat wie auch mit der Pulvermischung hergestellten Kapseln erfüllten die geforderten Prüfungen nach Ph Eur (Gleichförmigkeit der Masse und Zerfallszeit).
Bei der Herstellung eines Granulats kann auf Hilfsstoffe verzichtet werden. Diese Zubereitungsform zeigt eine sehr gute Fliessfähigkeit, keine Elektrostatik und ein relativ hohes Füllgewicht (Ø: 384 mg/Kapsel). Der Aufwand ist aber zeitlich gesehen grösser als bei der Herstellung einer Pulvermischung, unter anderem auch deswegen, weil das Granulat über Nacht getrocknet werden muss. Dabei konnte eine Restfeuchte von 6,5 Prozent gemessen werden. Bei einer Trocknung im Ofen (40°C während ca. 22 Stunden) bilden sich Klumpen, ausserdem ist die verbleibende Restfeuchtigkeit höher.
Die Pulvermischung enthält 0,5 Prozent Aerosil und 3 Prozent Magnesiumstearat. Sie zeigt eine leicht verbesserte Fliessfähigkeit gegenüber dem Weihrauchpulver. Eine Verbesserung ist aber in Bezug zur Elektrostatik des Pulvers und der erhöhten Füllmenge pro Kapsel zu verzeichnen (Ø: 358 mg/Kapsel). Beim Weihrauchpulver beträgt die durchschnittliche Füllmenge nur 259 mg/Kapsel.
Der verschreibende Arzt kann sich auf die Monografie der europäischen Pharmakopöe stützen. Olibanum indicum ist mit der Aufnahme in dieses Regelwerk als Wirkstoff anerkannt. Die Herstellung der Rezeptur wird am besten mit einer Apotheke abgesprochen. Diese kann den Bericht «Rezeptur für die Herstellung von Weihrauchkapseln (Boswellia serrata)» bei der Hochschule Wädenswil, Abteilung Phytopharmazie (b.meier@hsw.ch) in elektronischer Form anfordern. Darin enthalten ist eine detaillierte Herstell-
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vorschrift. Nachteilig an der Rezeptur ist die hohe Anzahl der einzunehmenden Kapseln. Zugunsten der Schluckbarkeit wurde auf den Einsatz grösserer Kapseln jedoch verzichtet. Diese Rezeptur wird so lange empfohlen, bis in der Schweiz ein von Swissmedic zugelassenes Weihrauchpräparat existiert. ■
Prof. Dr. sc. nat. Beat Meier (Korrespondenzadresse) Hochschule Wädenswil Grüental, Postfach 335 8820 Wädenswil Tel. 044-789 98 06 Fax 044-789 99 50 E-Mail: b.meier@hsw.ch Homepage: www.phytopharmazie.ch
M. Sc. Janine Rethage Hochschule Wädenswil
Dank Wir danken der Schweizerischen Medizinischen Gesellschaft für Phytotherapie (SMGP) sowie der Abteilung Pharmakopöe (Prof. Dr. Stefan Mühlebach) beim Schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic für die Unterstützung dieser Arbeit.
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Mittlerweile ist eine weitere, umfassende Arbeit zu den in indischem Olibanum und den daraus gewonnenen Extrakten vorkommenden Boswelliasäuren erschienen. Vom Pharmakologen H.P.T. Ammon, emeritierter Professor der Universität Tübingen, wurde die gesamte vorliegende präklinische und klinische wissenschaftliche Literatur zum Thema minutiös aufbereitet. H.P.T. Ammon (2006): Boswellic Acids in Chronic Inflammatory Diseases. Planta medica 72: 1100–1116.
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